(A.G.): Die Stuttgarter Religionspädagogin Petra Dais und der Stuttgarter Pfarrer Karl-Eugen Fischer laden seit fast 10 Jahren regelmäßig Künstler in die Brenzkirche nach Stuttgart ein, um dort zu arbeiten und auszustellen. In dieser Zeit wird jeweils das evangelische Gotteshaus in ein Atelier umfunktioniert. Diese Woche arbeitet der Biberacher Künstler Hermann Schnirring dort.

Hermann Schnirring vor der Brenzkirche

Der 68-jährige beschäftigt sich intensiv mit dem Thema Erinnerung. Deshalb hat Schnirring auch den Titel für seine Ausstellung dementsprechend gewählt: „Metamorphosen der Erinnerung“.


Hermann Schnirring sammelt persönliche Fundstücke wie Fotos, Briefe, Postkarten oder Ähnliches. Er verändert sie und transformiert sie in andere Medien. Es entstehen Kollagen, Zeichnungen, Fotografien und Videofilme. Die Besucher der Stuttgarter Atelierkirche waren und sind eingeladen eigene Erinnerungsstücke mitzubringen. Die Stücke werden zusammen mit dem Künstler bearbeitet. Und somit werden ihre Erinnerung im wahrsten Sinne des Wortes, verarbeitet. Schnirring hat dafür Workshops angeboten. An den mitgebrachten Souvenirs darf man allerdings nicht wehmütig hängen. Diese werden unter anderem von Multitalent Schnirring durch einen Schredder gejagt und extrem verkleinert mit einem kräftigen Ventilator in die Luft geblasen.

Bildnerische Tagebuch Aufzeichnungen in der Fasten- und Passionszeit 2022, als gerade der Ukrainekrieg ausgebrochen war. 

Aktionen dieser Art werden per Filmkamera auf Video dokumentiert, und anschließend zusammen mit Geräuschen und Musik zu Filmen montiert. Gänzlich verloren sind die Dinge dadurch nicht. Genau das möchte der Künstler. Mit Hilfe von Video und Projektion sollen das Material und die damit bisher verbundenen Empfindungen „zum Schweben“ gebracht werden. Ob das gelingt, kann morgen am Samstag, 2. Dezember um 18 Uhr in der Brenzkirche Stuttgart überprüft werden. Dann werden bisherige Werke von Schnirring und die in dieser Woche entstandenen Arbeiten im Rahmen einer Finissage dem Publikum präsentiert.

Bildnerische Tagebuch Aufzeichnungen in der Fasten- und Passionszeit 2022, als gerade der Ukrainekrieg ausgebrochen war. Technik: Collagen aus Fotos und Zeichnung mit dem iPad.


Aber auch der temporäre Arbeits- und Ausstellungsort, die Brenzkirche Stuttgart, ist als Ort an sich sehr spannend. Benannt nach dem Theologen Johannes Brenz (1499-1570), thront die Kirche hoch über Stuttgart auf dem Killesberg. Wenige Meter entfernt liegt die berühmte und zum Weltkulturerbe ernannte Weißenhofsiedlung. Diese gilt als eines der bedeutendsten Zeugnisse moderner Architektur. Inspiriert davon entwarf Architekt Alfred Daiber 1930 die Brenzkirche ganz im Zeichen der Neuen Sachlichkeit und des revolutionären Neuen Bauens.

Ursprüngliche Ansicht - historische Aufnahme
Brenzkirche Heute

Die Nazis mit ihrem rückständigen und reaktionären Architektur- und Kunstverständnis haben dann, nach deren Machtergreifung, den avantgardistischen Bau verschandelt. Dem eleganten Flachdachbau wurde nachträglich ein ordinäres Satteldach aufgesetzt. Auch andere wichtige architektonische Details, wie die Fensterform und der Glockenturm wurde von den Nazis zerstört. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Kirche zudem durch Luftangriffe teilweise beschädigt. Mittlerweile gibt es konkrete Pläne, die Brenzkirche in Anlehnung an ihre ursprüngliche Form in absehbarer Zeit zu rekonstruieren.

Weitere Informationen:
Atelierkirche Stuttgart (evangelische Brenzkirche), Am Kochenhof 7, 70192 Stuttgart. Zur Geschichte der Brenzkirche.
Weißenhofsiedlung (Weltkulturerbe), Am Weissenhof, 70191 Stuttgart

Weißenhofsiedlung


Dank an Stuttgartreporter Albert Gratz!