Heute: 26. Juni, 2025

Heimatkunde – Kritisch betrachtet.

Heimatkundliche Blätter 1/2025 (Foto: Gaspard)
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vor 1 Woche

Ausgabe 1 von 2025 ist für runde 8 Euro im Stadtbuchhandel erhältlich: Heimatkundliche Blätter für den Kreis, Herausgegeben vom Heimatkundeverein hier unter der Ägide von Andrea Rexer. Das Thema, Bauernkrieg in Oberschwaben. Der Anlass: 500 Jahre ist es dieses Jahr her, dass es in der Region zum Bauernaufstand kam, mit dabei – natürlich – der Baltringer Haufen. Der wird nicht nur jedes Jahr zum Schützenfest, sondern dieses Jahr auch bei der Sonderausstellung „Uffrur“- 500 Jahre Bauernkrieg in Bad Schussenried gefeiert. Zu der Landesausstellung gibt es leider aus Kulturkassenmangel nicht mal einen Ausstellungskatalog, dafür aber nun die Heimatkundlichen Blätter für den Kreis 1/2025.

Bei allem Respekt für die Veröffentlichungen des Heimatkundevereins und auch dessen oft und häufig berechtigten wissenschaftlichen und informativen Anspruches, der Untertitel des aktuellen Heftes führt bereits zu Unbehagen: „Bilder des Aufstandes im Vergleich 1525 und 2024 „. Gemeint ist natürlich ein Bezug zu den Ausschreitungen am politischen Aschermittwoch der Grünen in Biberach. Der innere „Uffrur“ des Lesers wächst.

Bereits im Vorwort zieht dann auch Chefredakteurin Andrea Rexer einen Vergleich zwischen dem Bauernaufstand, und letztlich Bauernkrieg, von 1525 und den Unruhen zum politischen Aschermittwoch der Grünen an der Biberacher Stadthalle 2024. Frau Rexer schreibt im Vorwort über „Tränengas“, von einem weiterhin stark bäuerlich geprägten Landkreis, von Aufrührern und differenziert leider nicht zwischen einer angemeldeten Kundgebung auf dem Gigelberg, die ruhig verlief, und den unangemeldeten Demonstrationen und Blockaden an der Stadthalle. Korrigiert werden muss zumindest die Behauptung, es sei Tränengas eingesetzt worden, es war Pfefferspray und das ist ein nicht unerheblicher Unterschied. Ob der Landkreis – weiterhin einer der prosperierendsten Deutschlands – tatsächlich immer noch stark bäuerlich geprägt ist – darüber kann man angesichts der geballten High Tech Industrien sicher streiten, auch angesichts zunehmend bäuerlicher Großbetriebe, die unter anderem REWE oder Edeka dank polnischer oder tschechischer Erntehelfer beliefern (Wir hatten darüber berichtet). Ob es wirklich Aufrührer vor der Stadthalle waren oder einfach nur politisch motivierte Agitatoren?

Auf Seite 46 des Heftes kommt dann Stefanie Hartmannsgruber vom Stadtarchiv Biberach zu Wort, mit ihrem Artikel „Biberach im Brennpunkt“. Man ahnt schon, da könnten nun Vergleiche gezogen werden die eher kritisch zu betrachten sind, nämlich zwischen dem Bauernaufstand 1525 und der aggressiven Demo beim politischen Aschermittwoch 2024 der Grünen. „Im lokalen Vergleich!“ steht in der Überschrift. Und um das mal extrem zu verkürzen und zu vereinfachen: Frau Hartmannsgruber stellt für das Stadtarchiv fest: Grund für beides war Unzufriedenheit mit den Lebensumständen und der wirtschaftlichen Situation. Diese (Verzeihung, das ist natürlich ironisch gemeint) tiefgründige und schwierige Erkenntnis, bebildert mit einigen Fotos der Demonstration an der Stadthalle von 2024, wird dem Leser bis einschließlich Seite 49 dargelegt.

Und spätestens hier ist nun ein gewisses Maß an Verwegenheit überschritten. Zumindest nach Meinung der Weberberg-Redaktion. Abgesehen von der Binse, dass Aufstände und Demonstrationen praktisch immer mit Unzufriedenheiten und/oder Überlebensängsten zu tun haben, sind die Rahmenbedingungen dermaßen unterschiedlich zwischen 1525 und 2024, dass es genauso legitim wäre und ist, die Technologie einer Pferdekutsche mit der ISS (Weltraumstation) zu vergleichen. Beides dient im weitesten Sinne übrigens auch der Fortbewegung, erschließt neue Lebensräume und bietet eine gewisse Bequemlichkeit. Zwar weist Frau Hartmannsgruber durchaus darauf hin, dass es da schon Differenzen über die 500 Jahre gibt, bleibt aber dabei, dass es eine „grundlegende Kontinuität der Unzufriedenheit“ gäbe und „Biberach diente jeweils als Brennpunkt landwirtschaftlicher Proteste“. Sie weist dann auf fundamental unterschiedliche Vorzeichen hin, aber da ist, nach Meinung von Gaspard, das Kind (besser: der Artikel) bereits in einen Brunnen gefallen.

Waren es denn wirklich vor allem Landwirte beim politischen Aschermittwoch der Grünen die da vornehmlich 2024 protestiert haben? So ganz eindeutig ist das nicht: Wenn, vor allem auch Nebenerwerbslandwirte, die hauptberuflich auch mal Lehrer, Mechatroniker oder Geflügelzüchter sind, sich selbst dann teils auch noch als „Journalisten“ ausgeben, ist das nur bedingt ein „Bauernprotest“. Es waren auch Rohrreinigungsfirmen, Landschaftsgärtner und Biogaserzeuger dabei. Das unter dem Begriff Landwirte zu vereinen, trifft die Realität nur bedingt. Frau Hartmannsgruber unterschätzt die teils rechte Gesinnung und politische Zielsetzung der Protestler des Aschermittwochs und differenziert zu wenig. Unglaublich viele, der an der Stadthalle Beteiligten, kamen gar nicht aus dem Landkreis. Die Pilgerfahrer aus Crailsheim, Heidenheim, dem Alb-Donau Kreis und aus dem Süden waren eher wegen eines politischen Statements gegen die Grünen vor Ort. Das war kein reiner Bauernprotest. Bereits – und das wird in den Heimatkundlichen Blättern durchaus erwähnt – die unseligen und menschenverachtenden Plakate bei der Demo gaben darauf einen Hinweis.

Vergessen wir nicht: Am besagten politischen Aschermittwoch 2024 gab es zwei Veranstaltungen, und das wird leider im Heft nicht wirklich herausgearbeitet. Auf dem Gigelberg kam es zu Aussprache mit dem Bauernverband und dort waren tatsächlich „die Landwirte“, Landwirtschaftsminister Özdemir (Grüne) suchte dort das Gespräch, und es kam dort auch NICHT zu Ausschreitungen. Parallel eskalierte aber die nicht angemeldete Demo vor der Stadthalle. Zu Recht beklagten im Nachgang Landwirte, dass sie pauschal in den Topf „Bauernprotest“ geworfen wurden wobei sie gar nicht an der Demo an der Stadthalle beteiligt waren. Nach dem politischen Aschermittwoch versuchten die Organisatoren der Demo weitere Protestveranstaltungen durchzuführen, unter anderem eine Veranstaltung an der B30 Brücke bei Mettenberg auf dem Zufahrtsweg zu Heinis Bauernhof. Bauer Heini distanzierte sich schon Wochen vorher und verurteilte die Brückenbesetzung. Tatsächlich waren auch hier rechte Agitatoren am Werk, die alles andere als „repräsentative Landwirte“ sind.

Wenn nun Frau Hartmannsgruber die Ausschreitungen zum politischen Aschermittwoch der Grünen tatsächlich als „Bauernprotest“ mit dem Bauernaufstand 1525 vergleicht – egal zu welchem Urteil sie kommt, ist das eine Verklärung und eine Art Ritterschlag für die rechte Szene. Diese Kritik richtet sich auch an Frau Rexer, die mehrfach begleitend bei den Gerichtsverhandlungen am Biberacher Amtsgericht dabei war. Die Angeklagten – wegen Landfriedensbruches und mehr – waren in ihrer Mehrheit alles andere als landläufige notleidende Landwirte. Das belegten im Übrigen auch die Prozessbeobachter, die als Sympathisanten oft genug die Verhandlung mit Zwischenrufen und ihrer Staatsabneigung störten.

Wer Interesse an der jüngsten Ausgabe der heimatkundlichen Blätter hat (1/2025) kann das Rezensionsheft (das wir ganz legitim in der Stadtbuchhandlung gekauft haben) bei uns kostenlos anfordern. Wer zuerst kommt und an gaspard.hauser@weberberg.de eine mail mit Postadresse (an wen soll das Heft geschickt werden?) schickt bekommt das Heft (Versand zahlen wir – logo!). Rechtsweg ausgeschlossen.

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