Heute: 20. Juli, 2025

Tschappel – schwäbische Comedy…

Bild: Produktionsfoto Appolonia Film GmbH
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vor 1 Monat

Das kommt dann doch recht unterschiedlich an: Für Gaspard „war schon viel Schönes dabei“, wobei die leicht säuerliche Miene eher darauf hindeutet, dass der Fernsehabend mit Amelie Pachulke nicht ganz so harmonisch verlaufen ist, beim Schauen der ZDF neo Serie „Tschappel“. Amelie, Garant für Harmonie in der Weberbergredaktion, hingegen scheint sich gut unterhalten zu haben und wirkt ein wenig beseelt, ob der oberschwäbischen Dorfstimmung, „scho schee und au aweng luschtich!“. Dass die gebürtige Bielefelderin hier auf das schwäbische Wortrepertoire zurückgreift spricht schon Bände.

Allgemein wird die kleine Erstlingsserie mit 8 Folgen der relativ jungen Produktionsgesellschaft Appolonia Film eher gelobt. Zum ersten Mal kommen da endlich die Schwaben zum Zug, nicht nur die Bayern und witzig ist es auch noch, so der Tenor. Da würde endlich eine kulturelle Lücke gefüllt. – Nun ja, ein wenig.

Gaspard würde da zunächst festhalten, insgesamt wirkt das ganze wie eine Mischung aus „Daheim sterben die Leut“ und einer bayrischen Landserie a la „Hubert ohne oder mit Staller“ – nur ohne Krimianteil. Das muss man schon mögen. Ein ab und an auftauchender Satz in der Serie erklärt sowohl Humoransatz als auch Dramaturgie, sinngemäß: „Entweder du verlierst, oder die Anderen gewinnen“.

Ganz klar stelle ich erstmal fest, nein, das ist weder mein Humor noch eine Geschichte die mich interessiert. Und es war schwierig über Folge 4 hinaus der Serie zu folgen. Aber zugegeben, Folge 8 hat dann doch noch ein wenig gezündet und es waren dann doch die ein oder anderen Gags oder Twists dabei, die zumindest ein bisschen amüsiert haben. Wirklich gelacht habe ich im Gegensatz zu Amelie nicht. Dazu war mir vieles zu einfach gestrickt, zu oberflächlich. Sohnemann als „Depp“ (also Tschäppel) zu deklarieren ist nicht besonders lustig, das dauernde assoziierte „Der Schwabe wird grundsätzlich unterschätzt und hält sein Licht unterm Scheffel“ trägt aus meiner Sicht keine 8 Folgen. Eine Serie über Klischees? Davon gibt es mittlerweile genug.

Hintervorderbach (virtueller Handlungsort) bei Ravensburg gibt es natürlich so nicht, und entweder Gaspard ist einfach zu abgehoben und weltfremd, oder aber einfach nur realitätsfern, denn solche (vorgeführten) Tschäppel findet er auch in der Biberacher Umgebung (Gott sei Dank) nicht. Na dann ist doch alles in Ordnung, oder? Nein, ist es nicht. Denn was vermittelt die Serie? Ja, die Oberschwaben sind liebenswert dümmlich und naiv, bemerken nicht mal die Dashcam im Auto, verarschen völlig unbedarfte Hochzeitsgäste mit aufgepepptem Fastfood Essen und machen aus einem Güllebecken ein Schwimmbad bis das Grundwasser ausgeht… Sexueller Notstand und urinierende männliche Eingeborene vermitteln ein für Gaspard eher unerträgliches Bild dieser Region, das weder besonders lustig noch kritisch ist. Allenfalls liebenswert dämlich.

Bild: Appolonia Film GmbH

Amelie sieht das eher ein wenig unbedarft und „hat sich schon unterhalten gefühlt“, fand manches witzig. Gut, dass der Tschäppel einen verdrehten Hoden hat, der von (Doktor) Harald Schmidt behandelt wird „kommt“ ein bisschen zu „kurz“. Auch Alexander Schubert als verarschter Pseudovater oder Paul Faßnacht in der letzten Folge schaffen es nicht wirklich die Serie auf ein höheres Niveau zu hieven. Insgesamt ist das Schauspiel an sich ganz gut, das Schwäbisch erträglich und nicht zu aufgesetzt und entspricht dem halbwegs an die Zivilisation angeschlossenen Oberland und Oberschwaben.

Alles bleibt aber pubertär und eine muffige Tristesse, auch wenn die Protagonisten immer wieder betonen wie toll das doch vor Ort sei. „Warum weggehen?“ ein wiederkehrendes Thema. Naja vielleicht, um einfach den Blick aufs Wesentliche zu schärfen, hier auf die leider nicht thematisierten Klüngeleien, den verdeckten Faschismus, die verdeckte Fremdenfeindlichkeit oder die Blockierung von Veränderungen, oder gar den Umweltschutz. Hier ist Tschäppel weit weg von „Daheim sterben die Leut“, dem 1985er Kultfilm. Echte tiefere Auseinandersetzungen mit dem Lebensstil und der Assimilation in Oberschwaben finden nicht wirklich statt. Dabei böte das tatsächlich Stoff nicht nur für eine Serie.

Ist diese Kritik nicht überzogen? Amelie findet das durchaus, „die Serie will unterhalten, das tut sie!“. Bedingt, ja. Aber sie verschenkt viel. Auch optisch. Bildtechnisch ist das Standardkost. Weder besondere Perspektiven, noch besonderes Licht, TV as usual. Tut nicht weh, fällt aber auch nicht auf. Ein bisschen zu häufig die klassische „Amerikanische“ (Halbnahe) Kameraeinstellung – wie in den 60er Jahre Serien. Gelegentlich ein paar leicht unmotiviert wirkende Zooms. Die Bilder der Produktionsdoku (Making of) sind gestalterisch beeindruckender, die Farbkorrektur der Serie selbst teils einfach mau.

Appolonia Film GmbH

Etwas zu dicke die Musikberieselung. Da werden die Hits der 80er noch oder wieder gespielt und alles was nicht sofort vom Plattenteller springt, wenn mal wieder Kondome fehlen oder Urinale gefüllt werden. Tatsächlich funktioniert aber die leise Liebesbeziehung zwischen Carlo (Tschäppel) und Pia noch am Besten in der Serie und ab und an Sätze wie: „Die Reschde sinds Beschte am Feschde!“

Fazit: Ein paar ganz hübsche Ideen, leider zu oberflächlich, zu viele Klischees und viel verschenktes Potential. Umsetzung und Realisation ausbaufähig und zu standardisiert. Schwäbisch als Alleinstellungsmerkmal reicht (Gaspard) nicht – schließlich gibt’s zum Einen sowas wie „Die Kirche bleibt im Dorf“ (merklich höhere Budgets und klar sollte man hier nicht Äpfel mit Birnen vergleichen) und zum Anderen muss man schon mal fragen: „Braucht man im TV unbedingt in jedem Regionalslang eine eigene Serie? – Also auch in Unter- oder Oberfränkisch, Mittelhessisch oder Badisch?“ Schließlich gäbe es auch noch Honoratiorenschwäbisch aus Stuttgart… Liebe Appolonia Film, ihr wollt „originelle,  authentische Stoffe, die mit einer klaren inhaltlichen Haltung überzeugen“ – das klingt gut, da geht sicher noch ein bisschen mehr.

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