Heute: 17. Sep., 2025

Eklat im Ochsenhausener Umwelt- und Technik Ausschuss: Bürgermeister Bürkle wirft Betroffene aus dem Ratssaal.

Rathaus Ochsenhausen - Foto: Gaspard Hauser
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vor 9 Stunden

Zunächst zu den Rahmenbedingungen: Das was in Ochsenhausen der Ausschuss für Umwelt und Technik ist, ist für den Biberacher Beobachter sowas wie der Bauausschuss hier. Ausschüsse sind nicht immer öffentlich und die goldene Regel heißt: Wenn der Ausschuss öffentlich tagt, dann haben Zuschauer und Zuhörer keinerlei Rederecht, außer sie werden aufgerufen oder als Sachverständige oder Ähnliches bestellt.

Gestern nun tagte der Ausschuss für Umwelt und Technik im Ochsenhausener Rathaus und ein wesentlicher Punkt auf der Tagesordnung waren Bauanträge. Darunter unter Punkt 5.5 auch ein Bauantrag zur Situation rund um die sogenannte Villa Christ. Die Villa unterhalb des Klosters, in der Schlossstraße ist im Moment praktisch kaum mehr vernünftig zugänglich, weil die Stadtverwaltung in einer – vorsichtig ausgedrückt – eigenwilligen und rechtlich umstrittenen Vereinbarung mit einem Bauunternehmen die eigentliche Zufahrt zur Villa über einen Radweg verstümmeln ließ. In einer Vereinbarung wurden über den Kopf der Besitzer (einer Erbengemeinschaft) dem Bauunternehmen vor rund 5 Jahren Rechte zugestanden, die von einem Experten und Universitätsprofessor kritisch beurteilt und auch für möglicherweise nicht rechtskräftig eingeschätzt werden. Er sieht hier einen öffentlich rechtlichen Vertrag laut baden -württembergischen Verwaltungsverfahrensgesetz den Stadt und Baufirma 2020 ohne Beteiligung der betroffenen Besitzer geschlossen haben und dann gilt: Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, der in Rechte eines Dritten eingreift, wird erst wirksam, wenn der Dritte schriftlich zustimmt. So wurde dem Bauunternehmen 2020 durch einen Mitarbeiter der Verwaltung offenbar zugestanden, Geländeteile zu nutzen die nicht im Besitz der Stadt waren oder sind.

Über die Jahre hat sich hier ein grundlegender Streit zwischen Stadtverwaltung und Eigentümern entwickelt, der nicht nur die Zufahrt zur Villa Christ betrifft und die Verletzung von Grundstücksgrenzen, sondern auch das inzwischen bestätigt nicht rechtmäßige Anbringen von Erdnägeln unter einem fremden Grundstück zur Stabilisierung des Hanges ohne die Eigentümer zu informieren oder zu involvieren. Daneben ist auch die Entwässerungssituation nicht unproblematisch: Anwohner befürchten durch die Entwässerungsdrainagen und mangelnde Versickerungsflächen unterhalb des Hanges der Villa Christ durch massiv – offenbar nicht dem Bebauungsplan von 2018 entsprechende – Terrassen bei Sturzregen Sturzbäche von Wasser entlang der Schlossstraße in Richtung Innenstadt.

Nach einem jahrelangen Gerichtsverfahren ist die betroffene Baufirma, die unterhalb der Villa Christ ein Wohnhaus errichtet hat dazu verpflichtet worden die stabilisierenden Erdnägel die unrechtmäßig unter dem Anwesen eingebracht wurden wieder zu entfernen und den Hügel ohne Eigentumsverletzung zu stabilisieren. Und genau darum ging es im Bauantrag 5.5 gestern im Ausschuss. Der sollte die Bauanfrage des verurteilten Bauunternehmens zur „Reparatur“ ihres Vergehens absegnen.

Irritationen verursachte aber gerade dieser Bauantrag. Auch für Laien war in dem öffentlich zugänglichen Antrag ersichtlich, dass sich Realität und beigefügten Lageplan erheblich unterscheiden. Weder die Zufahrt zur Villa Christ, noch die Terrassenflächen des Gebäudes unterhalb, wie auch Grundstücksgrenzen scheinen akkurat und in gegenwärtigem Zustand dargestellt. Weberberg hatte darauf bereits vor der Ausschusssitzung per Mail hingewiesen und um Stellungnahme von Bürgermeister Bürkle gebeten. Der wiederum sah und sieht sich da nicht großartig in der Pflicht, der Ausschuss und die Stadt könne nur „bauplanungsrechtlich“ einschreiten oder einen Bauantrag ablehnen. Wenn Bauanträge eine andere Realität zeigen als sie tatsächlich sich darstellt, spielt das offenbar keine Rolle. Das bemängelte im Ausschuss auch der Gemeinderat Armin Vieweger von der Wählergruppierung PRO-OX und stellte Bürgermeister Philipp Bürkle insofern zur Rede, ob nun jeder irgendwelche frei gestaltete Lagepläne als Bauanfrage vorlegen könne, sprich ob der Realitätsbezug völlig egal sei. Bürkle meinte das sei in der Verantwortung des Bauträgers und bot Vieweger an, in den Unterlagen nachzuschauen wer den Lageplan erstellt hat. Einen Namen wollte Bürkle „aus Datenschutzgründen“ nicht preisgeben. Allerdings stellte sich heraus, dass der Plan 2018 bereits erstellt wurde, was vorher nicht ersichtlich war. Insofern auch interessant, weil eine Reihe von Baumaßnahmen deutlich später realisiert wurden und der Lageplan damit wohl eher einen „so sollte es sein“ Status zeigt.

Ebenfalls irritierend dass der Bauantrag einen detaillierten Erdnägelplan zeigt. Im Gerichtsverfahren inwieweit die Erdnägel rechtens eingesetzt wurden hatte der verklagte und inzwischen verurteilte Bauunternehmer dargestellt, es gäbe keinen detaillierten Plan dieser Installation. Auch hier fragte der PRO-OX Gemeinderat nach, woher denn nun dieser ausführliche Installationsplan plötzlich komme. Die Verwaltung verwies auch hier auf den Bauträger aus Laupheim, den müsse man hier fragen.

Während der Ausführungen war die betroffene Eigentümerin der Villa Christ der Erbengemeinschaft bemüht zu Wort zu kommen und hatte sich beständig per Handzeichen gemeldet. Zunehmend verärgert darüber, dass auch im Lageplan die offenkundigen Fehler oder Ungereimtheiten einfach vom Gremium eher akzeptiert schienen machte sie sich schließlich Luft und erklärte, dass die Stadtverwaltung mit dem Bauantrag weiterhin Unrecht unterstütze. Und unter anderem, da der Radweg mittlerweile auf Privatgelände verlaufe, im Gegensatz zum Lageplan, wolle sie den Privatbereich nun zu machen, dann blieben da noch 40 cm öffentlicher Raum. Gegenüber Gemeinderat Holland verwies die Betroffene darauf, dass man schließlich mittlerweile in einer Demokratie lebe und solch ein ignoranter Umgang mit Eigentümern an schlimme vergangene Zeiten erinnere.

Bürgermeister Bürkle wiederum zeigte keinerlei Verständnis für den emotionalen Zwischenruf und verbot unmittelbar der Betroffenen die Rede. Sie habe hier keinerlei Rederecht und schließlich wurde sie aufgefordert sofort den Raum und die Sitzung zu verlassen. Natürlich – und das ist ganz klar die Meinung von Gaspard als Schreiber – ist es nicht unbedingt die Pflicht eines Bürgermeisters Empathie zu zeigen oder im entferntesten Verständnis für Bürgeranliegen und dennoch wäre es vielleicht wünschenswert sich von einem etwas erhobenen Ross herunterzubeugen und etwas verständnisvoller zu reagieren. Die Tür knallte, Bürkle der die Sitzung kurz unterbrochen hatte (um eine unnötige Dokumentation der Rede der Betroffenen im Sitzungsprotokoll möglicherweise zu vermeiden) setzte die Sitzung fort und es kam zur Abstimmung zur Zulassung der Bauanfrage. Mit zwei Enthaltungen wurde die Bauanfrage zugelassen.

Alles in allem nicht unbedingt eine Sternstunde der Kommunalpolitik.

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