Gemeindesaal St. Martin gestern Abend 18:30 Uhr. Rund 50 interessierte Zuschauer. Vorne – vom DGB organisiert – Landtagskandidaten von FDP, CDU, Grünen, SPD und Linke. Erstmal Statements: Wie stehen wir zur Wirtschaft, zur Rente, zu Frauen… Überraschend (Achtung: Ironie!) da kommt nicht wirklich Neues. Aber immerhin gefühlt bis 19:30 Uhr geballte Selbstdarstellung und Dauerschleife. Halten wir fest:
Der Wirtschaft geht es schlecht – das ist schlimm.
Die Rente muss sicher bleiben.
Frauen werden benachteiligt und das ist nicht gut.
Bildung ist wichtig.
Und die Gretchenfrage: Wer ist nun dagegen? Überraschung: Keiner.
Und damit zu den Konzepten:
Die Wirtschaft muss gestärkt werden. Am Besten durch mehr Geld und weniger Bürokratie.
Die Demokratie muss geschützt werden. Am Besten durch Verhindern von antidemokratischen Bestrebungen.
Frauen sollten endlich gleich bezahlt werden wie Männer und verstärkt in Führungspositionen kommen.
Bildung muss für alle zu guten Bedingungen möglich sein und Klos und Gebäude müssen sauber und modern ausgestattet sein. Auch digital statt analog.
Unterschiedliche Auffassungen bei den fünf Parteien? Kaum. Nach über einer Stunde von Einzelvorstellungen und Abfrage darf das Publikum fragen. Zwei AfD nahe Anfragen werden schon mal sehr unwirsch wahrgenommen und eher unsachlich bis inkompetent beantwortet, sowohl von der Diskussionsleitung wie auch von FDP und CDU. Inkompetent die Antwort zur Frage auf einen AfD Vorschlag zur Bildungsreform, ein Zuschauer will wissen wo der Unterschied zwischen dem aktuellen 3 geteilten Bildungssystem (Haupt-,Realschule und Gymnasium) liegt zu einem AfD Antrag und warum der von den anderen Parteien abgelehnt wird. Weder FDP noch CDU Kandidaten kennen den Vorschlag der AfD überhaupt und bügeln ab. Ein anderer Vorstoß aus dem Publikum zum Thema Zuwanderung „Wenn wir 400 000 Zuwanderer zur Wirtschaftsstabilisierung (Facharbeiter) brauchen , müssen 1,2 Millionen Zuwanderer kommen wenn die Grundregel gilt, nur jeder 3. bleibt… Sehen sie das auch so?“ Auch hier leuchtet virtuell sofort die AfD Warnlampe auf, obwohl das nicht so richtig sofort zu verorten ist, wohin die Fragestellung rausläuft…

Brechen wir das mal ab. Das führt zu nichts. Genauso wenig wie diese Art der Diskussion gestern Abend. Die Mantren sind immer dieselben: Bürokratieabbau, Wirtschaftswachstum, Transformation. Fragen wir doch mal anders:
Ist es nicht schon lange klar, dass Politiker (und solche die es werden wollen) gerne lange und breit was erklären, ohne was zu sagen? Sollte man hier nicht einfach rigoros ein Statement auf 30 Sekunden begrenzen, statt sie jeweils 10 Minuten reden zu lassen um drei Mal dasselbe zu hören?
Ist es denn wirklich sinnvoll die AfD bei Diskussionen auszugrenzen und als Veranstalter vor ihr wie ein Kaninchen vor der Schlange zurückzuschrecken? Kann es sein, dass dann aber die geladenen Landtagskandidaten offensichtlich nichts von einer Bundesinitiative von „Demokratie leben“ wissen und andererseits mehr Bildung einfordern und nicht über Bestrebungen der AfD Bescheid wissen?
Ist es nicht offenbar, dass das klassische Prinzip Wachstum nicht mehr funktioniert? Dass das keine Lösungen bietet?
Wie kann es sein, dass man in Biberach bei solch einer Veranstaltung darüber lamentiert, dass Schulen katastrophal ausgestattet und marode sind angesichts Sanierungen von Mali-, Dollinger- und nun Pestalozzischule in den letzten Jahren und in der Gegenwart. Angesichts eines Freibad-Neubaus. Angesichts Zuschüssen durch das Sondervermögen des Bundes in Höhe von über 19 Millionen Euro zur Stärkung der Infrastruktur… Mal ganz ketzerisch gefragt: Eine Stadt mit Rücklagen von über 300 Millionen Euro und einem (noch) schwarzen Haushalt benötigt Zuschüsse aus einem 100 Milliarden Bundes-Kredit zur Stärkung der Infrastruktur? Das wird nicht thematisiert. Aber allgemeine kaputte Toiletten in allgemeinen Schulen im Allgemeinen. Das ist deutsche Debattenkultur.
Wie wohltuend, ein Mitarbeiter von Boehringer Ingelheim fragt, was kaputte Toiletten mit Bildung zu tun haben. Die Irritation im Raum steht da wie der unsichtbare Elephant. Er selbst käme aus Afrika, habe unter erbärmlichsten Umständen die Grundschule besucht, letztlich Abitur gemacht und studiert. Er verstehe den Zusammenhang einfach nicht, was unschöne Toiletten mit Bildung zu tun habe, oder auch moderne Gebäude. Recht hat er. Auch das ist deutsche Diskussionskultur. Die DGB Diskussionsleiterin ist etwas verärgert, angesichts des etwas langen Vortrages des Afrikaners. Wenn das so weitergeht sitzen wir hier noch bis 23 Uhr… Nein – tun wir von Weberberg sicher nicht und verabschieden uns nach diesem einzigen wirklich bedenkenswerten Gedanken dieser absolut nicht erhellenden oder weiterführenden Diskussion.
Ach ja: Es sind nicht nur zu wenig Frauen in Führungspositionen und allgemein engagiert (in den Parteien – da war keine einzige Kandidatin zu sehen, die die hätte für die Linke kommen sollen, war unpässlich) und unterbezahlt. Es waren auch viel zu wenig im Publikum: Von den 50 Zuhörern waren weniger als ein Drittel Frauen. Sollte einem vielleicht auch zu denken geben… Vielleicht.