Heute: 20. Nov., 2025

Rechtsextremismus im Landkreis Biberach – IRex untersucht und berät

Dr. Rolf Frankenberger (IRex) - Foto: Gaspard
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vor 2 Stunden

Das Institut für Rechtsextremismusforschung (IRex) an der Universität Tübingen befasst sich seit 2023 mit rechtsradikalen Tendenzen in der Gesellschaft. Das Institut wurde in Folge der NSU Untersuchungsausschüsse gegründet. Gaspard hat sich gestern mit Dr. Rolf Frankenberger, dem wissenschaftlichen Geschäftsführer des Institutes und seiner Mitarbeiterin Katharina Mayer im Landratsamt Biberach getroffen und die beiden zur Situation im Biberacher Landkreis befragt:

Rolf Frankenberger:

Also im Grunde geht es um Demokratieforschung. Natürlich mit dem Schwerpunkt Rechtsextremismus. Das ist unser Auftrag. Es geht darum, wie sind rechte Strukturen in der Gesellschaft vernetzt? Und was gibt es sonst noch für Gefährdungen, für Demokratie, die da in diesem Kontext unterwegs sind.

Für das Bundesprogramm Demokratie leben untersuchen wir auch Gefährdungslagen, aber auch welche positiven Strukturen es gibt, Vereinsstrukturen, Bündnisse für Demokratie und Ähnliches.

Gaspard:

Und wie kommt das IRex jetzt speziell in den Biberacher Landkreis?

Rolf Frankenberger:

Der Landkreis ist einer der Träger und federführend für die Partnerschaft für Demokratie im Landkreis. Sie haben uns angefragt bzw. die waren auf der Suche nach jemandem, der das wissenschaftlich begleiten kann. Nächstes Jahr kommen Ravensburg und Friedrichshafen – quasi diese ganze Oberschwaben Bodensee Achse und bis vor Ulm.

Dadurch, dass der Journalismus ausgedünnt ist, wird nicht mehr alles richtig registriert. Es gibt zwar viele engagierte Menschen, die sich kümmern, die gucken und aufpassen aber die kann man auch ein bisschen unterstützen, dann mit dem, was wir tun.

Gaspard:

Stichwort politischer Aschermittwoch der Grünen in Biberach 2024. Ausschreitungen und Proteste.- Wie seht ihr das?

Rolf Frankenberger:

Da gab es halt viel Wut. Auch auf Seiten der Landwirte, die wie ich finde, völlig zu Recht ihr Recht wahrnehmen, für Interessen zu streiten und zu streiken. Und das hat eine Dynamik angenommen hier in der Region, auch deswegen, weil sich da andere draufgesetzt haben. Da hat sich viel verbunden. Oder haben sich viele aus dieser Querdenker-Szene, aus den Corona Diskursen, aber auch aus der Rechten aus der extremen Rechten draufgesetzt und haben das befeuert, weil sie dann natürlich auch eine Möglichkeit gesehen haben, sichtbar zu werden und mal so ein richtiges Fanal im Grunde durchzuführen und wir mal den Regierenden so richtig Scheiße vor die Tür zu kippen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Und das waren eben nicht nur die Landwirte, sondern da haben sich andere wirklich anders instrumentalisiert im Grunde und weiß auch gar nicht, ob die Landwirte alle so glücklich damit waren.

Gaspard:

Biberach als solches war ja früher sehr „schwarz“. Sagen wir’s mal so, also in den 70er, 80er Jahren war das ja der CDU Vorzeige-Landkreis. In der Bundesrepublik. Gibt s da einen Zusammenhang zum Rechtsextremismus?

Rolf Frankenberger:

Ich glaube, da muss man ziemlich genau hingucken. Weil im Grunde der Konservatismus auch damals demokratisch staatstragend war und heute auch noch ist, Man braucht den christlich demokratischen Konservatismus, ich betone christlich demokratisch. Den brauchen wir. Ohne den kann man die Demokratie nicht retten. Was aber der Punkt ist, ist, dass vielleicht aufgrund der Tatsache, dass sich die CDU auch nicht immer so nicht mehr so stark werteorientiert positioniert hat, fallen da bestimmte Gruppen raus. Das Thema Heimat – Nation – Volk, bestimmt die AfD, insbesondere aber auch andere extreme, extrem rechte Kräfte. Und die versuchen da anzuknüpfen an diesen Ideen von Heimat und den Ideen von Tradition. Also traditionelles Familienbild. Sie verbrämen es dann häufig auch mit christlichem Glauben. Da versuchen die zu wildern. Und wenn man dann dazu nimmt, dass es halt schon auch ein Enttäuschungs- und Protest Phänomen ist, dann wird ein Bild raus und dann wird ein Schuh draus. Warum dort die AfD mit ihrem merkwürdigen Programm, das eigentlich die meisten Interessen von denen, die sie wählen, ja überhaupt nicht bedient dann trotzdem Anschluss findet, liegt es daran, dass sie halt sehr gut mit diesen Geschichten spielen: Wir retten die Heimat, wir bewahren die Umwelt. Und deswegen würde ich jetzt nicht sagen, dass irgendwie Oberschwaben besonders rechts wäre, sondern in Oberschwaben gibt’s halt Anschlussmöglichkeiten und historisch natürlich auch Strukturen im Rechtsextremismus das muss man auch sagen.

Gaspard:

Wir sind ja hier im monopolistischen Bereich der Schwäbischen Zeitung, des schwäbischen Verlages, und da gibt es eigentlich keine Gegenströmungen dazu. Welche Rolle spielen Monopole und Medien im Bereich Rechtsradikalismus?

Rolf Frankenberger:

Also es gibt ganz gute Forschung in der Medienwissenschaft zum Thema Medienwüsten, hauptsächlich in den USA. Aber es gibt inzwischen auch Studien zu Thüringen. Es gibt nichts Wichtigeres, als mehr, als ein Medium. Also jetzt gerade im Printbereich ist das wichtig. Das lesen halt einfach viele Menschen, gerade hier in der Region. Überall dort, wo es keine Lokalpresse mehr gibt, also die wirklich auch lokal vor Ort ist fehlt ein Korrektiv. Überall dort, wo ein Medienhaus dominiert, fehlt auch ein Korrektiv. Und zu sagen, die sozialen Medien wären da ein Korrektiv, würde ich sagen: Das ist noch mal eine ganz eigene Geschichte, das ist eine eigene Klientel und hat eigene Logiken. Also insofern kann man sagen: Ja, traditioneller Qualitätsjournalismus, Medien sind ganz, ganz wichtig auf lokaler Ebene, um einfach zu berichten, was passiert und damit die Menschen das besser wahrnehmen können und je zentraler das wird desto weniger haben wir davon. Inzwischen fehlt oft dann die Berichterstattung von vor Ort. Also ich meine, klar, fehlende Medienvielfalt ist immer ein Problem.

Katharina Mayer:

Dieses Ausdünnen von Lokalredaktionen, Veränderungen von Arbeitsbedingungen im Journalismus selber ist ein Problem. Du kannst nicht mehr alles abdecken mit der Zeit, die du hast und den Leuten, die du hast. Vielleicht seid ihr da (…von Weberberg.de) so eine Art von Korrektiv. Vielleicht ist das auch eine Richtung, in die es gehen kann. Das dann halt bürgerschaftlich aufgefangen wird. Aber es ist definitiv ein Problem, wenn das entweder nicht mehr abgedeckt wird oder einseitig abgedeckt wird oder womöglich gar von einem Blatt, das ein Monopol hat und aber vielleicht eine Schlagseite politisch.

Rolf Frankenberger:

Auf der anderen Seite muss man halt auch immer gucken, wer macht denn diese bürgerschaftlichen Lokalangebote?

Gaspard:

Überlingen – stattzeitung.org als Beispiel für AfD nahe Berichterstattung?.

Katharina Mayer:

Da muss man ja immer unterscheiden zwischen diesen Lokalmedien mit und Lokalmedien ohne journalistischen Anspruch. Ich glaub, das fällt halt den Menschen schwer, da zu differenzieren.Da kommt mal wieder in diesen Bereich Medienbildung rein. Was ist eigentlich eine Quelle, was ist richtig?

Gaspard:

Wie seht ihr die Künstliche Intelligenz in dem Zusammenhang?

Rolf Frankenberger

Es gibt zunächst mal keine logische, automatische Verbindung. Das kann jeder nutzen. Und der Vorteil ist halt, man kann über KI Massen von einfachen Inhalten vervielfältigen, verändern auch und auch produzieren, wenn man nicht den Anspruch hat, dass das faktisch korrekt ist.

Gaspard:

Was erwartet ihr hier von der Zusammenarbeit mit dem Biberacher Landratsamt konkret?

Rolf Frankenberger:

Wir erwarten einen spannenden Austausch. Und Erkenntnisse dann konkret für Handlungsfelder wo man reingehen muss mit Demokratieförderung. Ganz generell kann man schon mal sagen. Was wir tatsächlich brauchen, ist, dass wir sehr früh beim Thema Zusammenhalt und Teilhabe ansetzen. Also das sind die Grundlagen. Das ist nicht immer direkt. Demokratie aber ist die zentrale Grundlage für demokratisches Handeln. Wenn man nicht Werte teilt und wenn man nicht teilhaben kann an Prozessen, ist klar, dann kann man nachher auch nicht demokratisch streiten. Das ist so ein großes Handlungsfeld. Wie kriegen wir niedrigschwellige Angebote hin? Auch wenn Menschen gegenüber Demokratie skeptisch sind, und das weiß man hier im Landkreis auch sehr gut. Hier gibt es viele demokratieskeptische Menschen. Wie kriegen wir Angebote hin, die nicht belehrend sind, pädagogisch oder auf der Art und Weise, wie wir jetzt mal wie Demokratie funktioniert machen, sondern wie man die Menschen ins Tun kriegt? Es gibt ganz spannende Ansätze hier. Mit den Dorfhäusern. Da hat man alte Gasthöfe aufgekauft. Und das können soziale Orte sein, wo man wirklich auch Gesprächsangebote ganz niedrigschwellig macht, wo man erst mal sich ums Soziale kümmert.

Gaspard:

Spielen Jugendliche eine wesentliche Rolle im rechtsradikalen Bereich?

Rolf Frankenberger

Jugendliche sind für mich eine Gruppe von vielen, weil man immer zu sehr auf die Jugendlichen schaut und auch schimpft. Dort müsste man viel mehr machen, damit wir unsere Welt retten. Aber da sind die Menschen zwischen 30 und 60 um die wir uns kümmern müssen. Die Jugendlichen… Ich glaube, hier in der Region gibt es ja dieses Phänomen Selbstorganisation, und das ist eigentlich was ganz Tolles. Aber wenn man da so völlig überhaupt keinen Einblick hat und man weiß aus einigen Buden, dass da halt rechte Ideologien verbreitet werden, dann ist es ein bisschen schwieriger. Man muss schon gucken, dass man über offene Sozialarbeit, aufsuchende Sozialarbeit auch den Kontakt dann weiter hält. Und das passiert ja auch.

Also das ist für mich ein Punkt. Das zweite ist schon auch Schule, dass man da im Blick behält, was da läuft mit Rassismus und Antisemitismus

Und da sind die Leute, die arbeiten. Das muss man ganz offen sagen. Also Unternehmen wären ein guter Ansatzpunkt, wenn man noch mehr Kooperationen machen könnte. Gewerkschaften, Gewerkschaften und Unternehmerverbände im Zusammenspiel. Aber die haben beide unterschiedliche Interessen

Wir müssen ein bisschen aufpassen mit Armut und versteckter. Armut. Das gilt vor allem dort, wo der Strukturwandel irgendwann aufschlagen wird. Und wenn man sich die Statistiken anguckt, ist das im Landkreis Biberach doch auch so lala.

Gaspard:

Sobald du aus der Stadt Biberach raus bist?

Rolf Frankenberger

Genau, da geht es dann los. Die Kirchen machen viel, was Einsamkeit und Armut angeht. Und damit kann man arbeiten. Also viele Dinge, die hier gemacht werden, sind einfach auch gut und die kann man ausweiten und da kann man andere noch einbinden. Das ist so das, was wir hier erwarten. Auf der anderen Seite hat man ja unterschwellig schon eine sehr starke Demokratie, skeptische und auch demokratiefeindliche, zum Teil Einstellungen und Personengruppen, die halt da und da wird es schwierig, die zu erreichen und da muss man in die Dorfkneipen, da muss man die Stammtische, da muss man ganz, ganz viel mehr noch mal arbeiten.

Gaspard:

Konkretes Bedrohungspotenzial durch Rechtsextremismus? Wie seht ihr denn da die Tendenz?

Rolf Frankenberger

Also es betrifft Journalismus und ganz stark Investigativjournalismus immer mehr. Das betrifft engagierte Menschen, das betrifft aber halt auch Amts- und Mandatsträger zunehmend. Also wenn man die Wahlkämpfe im Osten sich ins Gedächtnis zurückruft… aber durchaus auch hier und da, wenn man die die demokratischen Parteien fragt, was die in der Kommunalwahl letztes Jahr und auch bei der Bundestagswahl an Wahlständen erlebt haben.

Der Hass auch in Baden-Württemberg war nicht so weit, dass es zu massiven Übergriffen kam. Aber auch da wäre ich vorsichtig, das zu verharmlosen. Es trifft Wissenschaftlerinnen, vor allem Frauen, die in vielen Fällen, wie zum Beispiel feministische Forschung, Genderforschung, oder Rechtsextremismusforschung unterwegs sind. Nimmt das auch zu? Ja, ich sage immer das ist so eine Verrohung von Diskurskultur. Das nimmt halt allgemein zu. Und das ist eine ganz große Schwierigkeit, wenn man nicht mehr miteinander reden kann.

Katharia Mayer:

Und es trifft eben die Menschen, die sichtbar sind und die man eben zu greifen kriegt anhand ihrer Rolle.

Gaspard:

Noch eine Frage zur ermordeten Polizistin Kiesewetter bei Heilbronn, weil Kiesewetter war ja in Biberach bei der Bereitschaftspolizei ausgebildet worden. War dann NSU Opfer. Die Ermittlungsakten über Kiesewetter mit hunderten Seiten sind im Internet frei verfügbar – mit allen intimen Ermittlungsdetails. Wie seht ihr denn da die Möglichkeit, da einzuschreiten?

Rolf Frankenberger

Rechtlich keine Chance, wenn das nicht innerhalb der EU ist. Das ist eine große Herausforderung. Das gilt ja für alles Mögliche. Anderes löst auch Hass im Netz aus. Geschichten aus dem Ausland – wenn sie in die USA schauen, wenn da irgendwas in USA gehostet wird. Da kann man dann auch nicht gegen Hakenkreuze oder irgendwas vorgehen, die ja bei uns rechtlich sanktioniert sind. Insofern ist eher die Frage, wird das mal untersucht, wo kommen die denn her? Also wer hat die denn (Die Ermittlungsakten) da durchgesteckt? Das ist schon heftig.

Gaspard:

Gibt es denn den nationalsozialistischen Untergrund (NSU) noch – es ist ja nur noch Beate Zschäpe am Leben – gibt es noch ein Umfeld?

Rolf Frankenberger:

Es gibt und das weiß man auch recht gut, ein relativ breites Unterstützungsfeld und man weiß nicht, ob dort nicht so was wieder entstehen kann. Also wir wissen das, dass die organisierten Rechtsextremen sich bewaffnen oder bewaffnet sind, oder an Waffen rankommen können. Insofern ist es also nicht ausgeschlossen, dass sich so eine Gruppe wieder bildet. Man hat die eine oder den anderen relativ früh erwischt. Aber man darf auch diese Gruppe und den Kreis nicht unterschätzen. Also das sollte man nicht verharmlosen, so wie das in den Medien am Anfang war.

Und wenn man dann halt rausfindet, wer da im Hintergrund alles mit dabei war – das ist ja öffentlich zugänglich. Correctiv hat ja ganz viel recherchiert. Man sieht, dass da Menschen, die Bezüge zu Sektor zum Militär oder und oder auch von der Ausbildung her zu den Sicherheitsbehörden hatten. Also das heißt nicht, dass das einen direkten Link gibt, aber die haben trainiert den Umgang mit Waffen und im Umgang mit Strategien. Das darf man nicht auf eine leichte Schulter nehmen und da muss auch der Staat wachsam bleiben und aufpassen und das im Blick behalten. Und zwar sehr, sehr genau. Obwohl man ja wirklich über den Staatsschutz und über den Verfassungsschutz geteilter Meinung sein kann.

Man kann das auch in Ermittlungen sein, hier muss man trotzdem schauen, dass diese  Institutionen für die Demokratie und für die wehrhafte Demokratie, insbesondere eben der Staatsschutz und auch der Verfassungsschutz eine ganz wichtige Rolle spielen. Das soll man da auch immer nicht vergessen. Die brauchen wir, weil sie 2 Schwerter der wehrhaften Demokratie sind. Da muss man schon sagen, umso wichtiger ist eine demokratische Kultur innerhalb dieser Institution. Wir brauchen eine Fehlerkultur.

Also das ist wirklich was, was man in einer Demokratie eigentlich ganz zentral ist, dass man eine Fehlerkultur etabliert, die es auch ermöglicht, zu sagen ja, wir haben einen Fehler gemacht, ohne dass das heißt inkompetent zu sein, sondern im Gegenteil: Das heißt ja, wir arbeiten daran, das besser zu machen und das man das dann eher als eine Kompetenz sieht denn als Schwäche.

Weberberg.de dankt dem IRex für das exklusive Interview…

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