Heute: 03. Okt., 2025

Die Deutschen und die KI – kein Sommermärchen. Ein Essay.

Symbolbild von ChatGPT (Ich und der Filmklassiker)
von
vor 4 Stunden

Ja in Deutschland ist man extrem skeptisch. Das ist interessant: Während der Michel (der Deutsche – oder auch MIchaela, die Deutsche) in vielerlei Hinsicht an die Segnungen der Technik oder des Fortschritts glaubt und vieles völlig ungefragt oder selbstverständlich übernimmt, umso heikler wird er oder sie wenn er oder sie konkret gefragt oder ihm oder ihr etwas neues angeboten wird. Ebenso spannend, je weitreichender und letztlich umfangreicher und stiller die Änderung, umso einfacher ist sie in der Gesellschaft zu verankern. Ein paar Beispiele:

Carrageen. Das ist ein Stoff der unter anderem im Verdacht steht Darmentzündungen zu unterstützen. Seit Jahrzehnten hat er still und heimlich fast alle Schlagsahnen unter Kontrolle. Carrageen verhindert, dass sich das Fett in Schlagsahne absetzt. Und weil der moderne Mensch nicht mehr in der Lage ist einen frisch gekauften Schlagsahnebecher zu schütteln hat sich der Zusatzstoff in praktisch allen verfügbaren Schlagsahnebechern und Tetrapacks oder auch Tüten durchgesetzt. Halten sie für Blödsinn? Dann besuchen sie einen Netto ihrer Wahl und prüfen die Schlagsahneangebote. Nicht betroffen sind in der Regel nur reine Bioprodukte oder – natürlich Haferersatz etc.

GPS. Wie praktisch. Immer zu wissen, wo man ist. Nicht nur man selbst, im Zweifelsfall wissen das auch alle anderen. Und wehe, wenn das mal ausfällt, finde ich mich selbst dann noch? Was macht das Schiff oder Flugzeug ohne die GPS Orientierung? Oder auch das Auto? Überlebensfähig ohne GPS? Wer weiß…

Die Tageszeitung mit KI Lektorat: Kein Aufschrei, keine wirkliche Kritik. Dass die KI mittlerweile Schlagzeilen und Rechtschreibung in Tageszeitungen „korrigiert“ – völlig ok. Schließlich schreibt sie auch tolle Gedichte, Abhandlungen und beantwortet Fragen. Zum Beispiel „Wo ist das Ordnungsamt Biberach?“ – Antwort:
Google Übersicht mit KI:

Das Ordnungsamt ist Teil des Landratsamtes Biberach, das sich am (?) Rollinstraße 9, 88400 Biberach befindet. Diese Adresse kann zur Orientierung dienen, aber die genaue Abteilung für das Ordnungsamt kann im Landratsamt Biberach erfragt werden. So finden Sie das Ordnungsamt: Kontakt: Für spezifische Fragen oder zur Navigation innerhalb des Gebäudes können Sie das Landratsamt direkt kontaktieren.  Adresse: Rollinstraße 9, 88400 Biberach. Organisation: Es ist Teil des Landratsamtes, das für den gesamten Landkreis zuständig ist

Das waren die Beispiele (willkürlich – natürlich) wie grundsätzlich und ohne Widerstand grundlegende Veränderungen einfach mal so ohne zu großen Widerstand die Gesellschaft verändert haben. Von Butterreinfettersatz durch Palmöl, Aroma statt Frucht, Nachweispflichten ohne Sinn und Zweck oder Willkür in Bausachen ganz zu schweigen. Vieles ist still und heimlich selbstverständlich geworden. Alles schlecht? Mitnichten, darum geht es gar nicht.

Hier geht es um das Messen mit zweierlei Maß und der Beschäftigung mit unwichtigen Details. Hier geht es um Skepsis bei Dingen und Entwicklungen bei denen es letztlich um etwas ganz anderes geht, als Details. Können der Michel oder die Michaela mal den Blick auf das Ganze richten? Ist das möglich? Offenbar nur bedingt, denn sonst wäre bösartige Häme, wie sie gestern Dieter Nuhr gegenüber Greta Thunberg wegen ihrer Gaza Bemühungen äußerte, wohl weniger „witzig“. Sinngemäß für alle die den „Witz“ ab Minute 26 nicht verstehen: Was wohl meint Nuhr sinngemäß mit: Thunberg könnte im Bauch des Schiffes Araber befriedigen? Ganz schön geschmackvoll, Herr Nuhr! (Ironie aus!). Und ihr „Lehrmeister und Freund im Geiste“, Hanns Dieter Hüsch würde wohl zu dieser „Satire“ sagen: „„Nirgends verrät sich der Charakterlose schneller als hier“ 

Die KI kann Bilder animieren. Das fördert teilweise geradezu beängstigende Filme zu Tage. Beängstigend weil das natürlich Fiktion ist. Erfunden. Natürlich. Plötzlich drehen sich Leute um und man sieht sie von hinten, sie springen oder laufen durcheinander. Profi Filmemachern stockt der Atem, was da möglich ist. Für manche Profis, die zum Beispiel bewerten, ob man gefördert werden soll oder nicht, ist es so echt, dass sie fragen : „Ja und, was soll da jetzt gefördert werden, das sieht doch völlig normal aus…“ Die Bewertung bewegt sich zwischen super irre, beängstigend und banal, völlig uninteressant. KI im Film spaltet die Zuschauer, verstört die Profis und auch Auftraggeber. Und darum geht es: Animierte Fotos haben nicht den Anspruch Realität zu zeigen, vor allem auch nicht in einzelnen Bildern, also sogenannten Screenshots. Diesen Anspruch hat auch der Film nicht wirklich, spätestens seit etwa 1910, seit Filmtricks wie „Stopmotion“ eingeführt wurden. Natürlich ist heute auch ein Dokumentarfilm, so er so deklariert wird unter Umständen nicht mehr glaubhaft, auch keine Nachrichtensendung, aber das ist absolut nichts Neues. Filmschnitt und alte Montagetricks gaben dem Film immer schon die Möglichkeit eine Realität zu zimmern, die nicht der Wirklichkeit entspricht. Wer heute einen Film mit KI produziert, sieht sich Kritiken gegenüber die man tatsächlich als typisch „deutsch“ einordnen kann:

Ein fiktives Beispiel: Für einen Werbefilm wird ein Standbild einer Gruppe von etwa 20 Mitarbeitern mit KI animiert. Diese Mitarbeiter bewegen sich plötzlich individuell in einem 5 Sekunden Segment. Die Szene wird auf 3 Sekunden reduziert. Erste Frage an den typischen Kinogänger nach der Filmvorführung: „Haben sie den Elefanten im Bild gesehen?“ – Der wird antworten: „Nein, war da einer? Ich habe nicht darauf geachtet in dem Gewimmel!“ Natürlich war da keiner, als Regisseur könnte man aber behaupten: „Doch, doch, der flog im Hintergrund durchs Bild“ Niemand könnte widersprechen. Tatsächlich wird der Zuschauer auch nach dem wiederholten Anschauen nicht mal die Anzahl der Menschen richtig beurteilen. In 2-3 Sekunden nehmen wir allenfalls die Gesamtdynamik und Grundstimmung der Szene wahr. Und das ist auch das was die KI da vermittelt. Im übrigen ist das auch das, was Realfilm hier überträgt. Da spielt es keinerlei Rolle ob künstlich oder nicht. Der „deutsche“ Auftraggeber ist da aber anders gestrickt, auch weil es für ihn eine völlig obskure Technik ist: Der Auftraggeber schaut sich so einen Film nicht einfach an, sondern in Einzelbildern (es lebe die Pausetaste), das sind im Zweifelsfall im Kino 24 Bilder pro Sekunde. Überraschenderweise entstehen bei der Animation (teils auch zwangsweise um sogenannte Bewegungsunschärfen zu vermitteln) für den kritischen Einzelbildbetrachter Verstümmelungen. Da verrutschen in der Bewegung bei Bild 12 bei Person 14 die Augen, der Arm verschwindet bei Person 5 bei Bild 43 hinter einem Busch. Untragbar. Typisch KI. Die Technik ist offenbar „Noch nicht so weit!“ – Der Profi schüttelt den Kopf, „Quatsch!“: Der Zuschauer misst hier mit einem völlig falschen Maß.

Typisch KI? Leider nein, bewegter Film zeigt bei Einzelbildern durchaus auch Macken, bestes Beispiel übrigens, Propellerflugzeuge die mit CMOS Kameras gefilmt werden: Haben sie schon mal diese komisch verkrümmten Propeller in Echt gesehen? Oder Busse mit schräger Front, wenn sie von rechts nach links durchs Bild fahren? Wehe dem, der hier Einzelbilder des Filmes betrachtet. Völlig verstümmelte Busse und Propeller! Warum fällt das niemand wirklich auf? Und wenn, spielt es eine Rolle? Nun ist es doch aber so, wenn da 20 Personen zu sehen sind, dann kann man doch nicht akzeptieren, dass da bei Einzelbildern Gesichter verstümmelt werden! Doch, denn auch beim realen Film wären sie in Einzelbildern nicht mehr zu erkennen. Und schauen sie Filme (z.B. Mission Impossible) in Einzelbildern an?

Aber losgelöst vom Einzelbeispiel: Ein deutscher Filmemacher aus Starnberg bildet seit vergangenem Jahr auch international die Spitze in der Produktion von KI Filmen. Sein Erstlingswerk hat international massenhaft Preise und Nominierungen abgeräumt. Deutsche Festivals oder auch Fernsehsender sind extrem skeptisch, bislang lief das Erstlingswerk weder im TV noch auf weiteren Festivals in Deutschland, außer in Biberach. Vielleicht tickt der Biberacher anders, liberaler, offener? Gaspard ist davon nicht wirklich überzeugt, will es aber nicht ausschließen. Jurien und Auftraggeber & Kunden kommen offenbar mit KI Filmen (noch) nicht wirklich klar. Für die Einen zu „banal“ für die anderen zu „exotisch“.

Was ist da los in Deutschland? Einerseits sind der Michel und auch Michaela begeistert davon, dass die KI jetzt auch selbstständig die Schlagzeilen sortiert und korrigiert, entscheidet ob der Kühlschrank voll oder leer bleibt, welche Fernsehsender geschaut, welche Tageszeitungen gelesen und wie Bewerbungen geschrieben werden sollen, andererseits könnte eine KI bei einem (auch so deklarierten) nicht realen Film in nicht sichtbaren Bereichen Fehler machen – nicht akzeptabel. Interessante Tendenz und möglicherweise ein gesellschaftliches Symptom. Vielleicht ein Signal dafür, dass wir uns mit Dingen befassen sollten die Relevanz besitzen und nicht mit unwichtigem Schnickschnack. Bedenklich ist eher, dass Bilder nun auch ungefragt bewegt und synchronisiert werden können – und glauben sie mir, die schaut keiner mit Einzelbildern an, sondern 90% glauben es, wenn ein Friedrich Merz morgen Angela Merkel ein Küsschen geben würde. DAS ist ein Problem, aber kein technisches, sondern eine Frage von Regulierung, Ethik und Moral.

ChatGPT und ein Humphrey Verschnitt (Symbolbild)

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