Heute: 12. Aug., 2025

Meinungsfreiheit, Leuchttürme, Ethik und die Schwäbische Zeitung

Horst Schlemmer in jungen Jahren, bevor er Hape Kerkeling hieß (ChatGPT)
von
vor 1 Tag

Mit der Schlagzeile „Meinungsfreiheit hilft in Zeiten von Social Media und Massenmedien auch nicht weiter!“ hat die Schwäbische Zeitung am vergangenen Samstag einen Stab für …. Ja sorry – für was eigentlich gebrochen? Ein anonymer Gastbeitragschreiber erklärt uns die Welt. Nach gefühlt vier DinA4 Seiten Text kommt der (beliebige) Autor zum Schluss, dass „gute“ (also auch irgendwie andere, also in seinem Sinne „unabhängige“) öffentlich rechtliche Rundfunkanstalten von Nöten seien. Irgendwie erinnert das ein bisschen an „Make öffentlich rechtlich great again“. Ähnlich wie bei Trump hat halt jeder seine eigene Vorstellung von „richtig“ oder von „fair“ und „gut“. „Faire Berichterstattung“ könnte auch die Tochter von „Fairen Zöllen“, „Fairer Zuwanderung“, „Fairer Abschiebung“ sein. „Unabhängig“ kann in der Regel heißen „privatisiert“ – Damit haben wir ja schon beste Erfahrungen gemacht: Privatisierung der Krankenhäuser, der deutschen Bahn und der deutschen Wasserversorgung. Hat ja prima geklappt. Auch im Bereich Energieversorgung haben wir da ausgesprochen tolle Erfahrungen gemacht: Entwicklungskosten und Entsorgungskosten gerne staatlich gedeckelt – Gewinne gerne auch mal privatisiert – (Ironie aus!)

Aber mal zur Sache: Anlass für den Schwurblerartikel (Danke an Andy Reiner für den Hinweis auf den Artikel) ist, dass im Oktober (Hallo das sind noch 2 Monate!) in Leipzig vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Klage gegen den bayrischen Rundfunk verhandelt wird: Vorwurf, der sei nicht „ausgewogen“ genug. Im Grunde richtet sich die Klage gegen den Medienstaatsvertrag. Und natürlich ist beim öffentlich rechtlichen Rundfunk nicht alles Gold was glänzt. Auch dort „menschelt“ es, und Menschen sind sowohl korrumpierbar (zumindest viele) als auch von eigenen Werten getrieben. Aber wenn man genauer hinschaut ist es schon klar um was es da geht: Ausgewogen scheint ein Synonym für „meine Meinung ist da nicht repräsentiert“. Eigentlich lustig, denn tatsächlich ist der Bayrische Rundfunk recht weit weg von den Meinungen von Amelie Pachulke und mir, Gaspard. Also müssten wir eigentlich das Verfahren befürworten. Tun wir aber nicht. Warum? Holen wir kurz aus:

Meinungsfreiheit muss nicht „helfen“. Meinungsfreiheit, wie im Grundgesetz verankert, ist eine Voraussetzung und nicht verhandelbar, sie beschreibt einen Status Quo. Insofern ist bereits die Überschrift gelinde gesagt tendenziell und im weitesten Sinne verfassungsfeindlich, weil sie die Perspektive in eine Richtung verschieben kann, die die Bedeutung dieser Freiheit herunterspielt. Meinungsfreiheit ist eine Grundlage eines freien Journalismus. Ob dieser dann ausgewogen ist oder nicht ist letztlich eine Frage der Beurteilung durch den Beobachter. Dass der nicht neutral ist liegt häufig auf der Hand: Meinung muss nicht gefallen und Vielfalt heißt eben auch „viele verschiedene Meinungen“, was bedeutet, es kann gar nicht jedem gefallen – das liegt in der Natur der Sache. Daraus zu folgern, dass die Berichterstattung „gelenkt“ oder „zensiert“ ist, weil nicht dauernd die Meinung des Lesers, Hörers oder Zuschauers bestätigt wird, kann eigentlich nur ein Hinweis auf grandiose Selbstüberschätzung des Konsumenten sein. Der Journalist wird per se nicht mehr für voll genommen, er wird zum ausführenden Büttel des „Systems“ deklassiert. Wenn der nicht das schreibt, was der Konsument denkt muss er „gelenkt“ oder „gesteuert“ sein. Mit etwas Abstand könnte man sagen, der Konsument ist freundlich formuliert, einfach nur beratungsresistent und weiß grundsätzlich alles besser. Aber natürlich ist Journalismus auch sowas wie Vertrauenssache. Und hier wird es nun heikel: Vertraue ich „meinem“ Journalisten oder Informationsmedium mehr oder weniger, als meinem eigenen Wissensstand? Diese Entscheidung muss jeder für sich jedes Mal treffen. So ist das und das war auch schon immer so. Eigene Meinung und da hat der „Gastautor“ schon Recht, ist auch eine Wissensfrage. Aber hier ist die entscheidende Frage schon auch: Woher bezieht der Leser, Hörer oder Zuschauer sein Wissen? Spätestens seit Trump sollte klar sein, dass jeder alles behaupten kann. Auch, dass Wissenschaft keine Wissenschaft sei. Quellenprüfung tut Not.

In seinem Gastartikel in der Herberge „Schwäbische Zeitung“ kommt der „Gastautor“ auch zum Punkt, dass er ethische Grundsätze (vor allem im öffentlich rechtlichen Rundfunk) im Journalismus einfordert: Gewaltfreiheit, Aufrichtigkeit und Unabhängigkeit. Blöde Frage: Und wer sagt, dass das nicht gegeben ist?
Laut Medienstaatsvertrag gilt gegenwärtig:

Nach § 19 haben Berichterstattung und Informationssendungen den anerkannten journalistischen Grundsätzen zu entsprechen. Sie müssen unabhängig und sachlich sein. Nachrichten sind vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen. Kommentare sind von der Berichterstattung deutlich zu trennen und unter Nennung des Verfassers als solche zu kennzeichnen.

Hat der Gastautor mal in den Redaktionen nachgefragt? Natürlich! Oder nicht? – Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit verbirgt sich hinter dem „Gastautor“, der nicht mal so viel Eier in der Hose hat, in der SchwäZ mit Namen aufzutreten, ein ehemaliger Tagesschauredakteur, der bereits im vergangenen Jahr mit seinem „Enthüllungsbericht“ über die Nachrichtenredaktion Furore machte: Es könnte Alexander Teske sein. Teske hat seine eigenen Vorstellungen wie Öffentlich Rechtlich zu funktionieren hat. Natürlich ist der Urheber hier spekulativ genannt, aber um was geht es mir (Gaspard) hier eigentlich? Es geht darum, dass hier jemand über ethisch moralische Voraussetzungen des Journalismus schwadroniert und es nicht für nötig hält seinen Namen preiszugeben. Das ist eine der unverrückbaren Grundsätze im Journalismus: Anonyme Texte sind mit Vorsicht zu genießen. Nicht mal ein Pseudonym ist es der SchwäZ wert. Und selbst das Foto – oder besser die Fotomontage zum Artikel bleibt anonym. Das kann und sollte zu denken geben.

Kleiner direkter link zum gegenwärtigen Pressekodex (auch oben verlinkt).

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