Ein Beitrag von Albert Gratz und Egon Cappa
Donnerstag, 17.07., gab es wieder zwei Gerichtsverhandlungen wegen den gewalttätigen Ausschreitungen beim politischen Aschermittwoch der Grünen 2024. Aber der Reihe nach: Landwirtschaftsmeister Leander S., 33 Jahre alt und aus einer Gemeinde des Alb-Donau-Kreises, ist beschuldigt des Landfriedensbruchs und Widerstand gegen Polizeibeamte.

Eigentlich hatten ihn die Ermittlungsbehörden zuerst gar nicht auf dem Schirm, wie ein als Zeuge geladener Polizeibeamter berichtet. Aber Leander S. spricht nach den unrühmlichen und beängstigenden Geschehnissen des Aschermittwoch 2024 mit einem Journalisten von der Wochenzeitung „Die Zeit“ über seine Erlebnisse bei der Stadthalle. Der anschließend erscheinende Artikel über die Ausschreitungen in Biberach wird vom Staatsschutz, der bei politisch motivierten Gewalttaten aktiv wird, ausgewertet. Dabei stoßen die Beamten auf die Interviewantworten von Leander S. und werden dadurch auf ihn aufmerksam. Da es von den Ausschreitungen polizeiliche Videoaufnahmen gibt und S. darauf zu sehen ist, erhält er im Zuge der Ermittlungen von der Staatsanwaltschaft Post: Einen Strafbefehl mit einer Geldstrafe.

Würde er die Geldstrafe bezahlen, wäre die Sache für ihn erledigt. Doch er bezahlt nicht und erhebt Einspruch dagegen. So kommt es nun zu einer öffentlichen Gerichtsverhandlung am Amtsgericht Biberach. Den Vorsitz bei der Verhandlung hat dieses Mal Richterin Kienle. Als Verteidiger hat Leander S. den Rechtsanwalt Benjamin Prötzel an seiner Seite. Zur Beweisaufnahme wird auch ein Polizeibeamter von einer damals bei der Stadthalle im Einsatz befindlichen Beweissicherungseinheit befragt. Der Beamte war schon mehrmals bei anderen Prozessen der Aschermittwoch-Ausschreitungen als Zeuge geladen und berichtet dieses Mal fast etwas zu routiniert.
Richterin Kienle zeigt als Ergänzung die Polizeivideos von der Blockade zweier Begleitfahrzeuge des damaligen Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir. Wie darauf zu sehen ist, ist der Angeklagte nicht aktiv an einer Gewalttat beteiligt. Aber Knackpunkt, wie bei den meisten bisherigen Prozessen ist, die Polizei hatte für die Gigelbergstraße bei der Stadthalle einen Platzverweis erteilt. Und diesem ist Leander S. nicht gefolgt. Rechtsanwalt Prötzel möchte deshalb vom geladenen Zeugen schon genauer wissen, wie denn dieser Platzverweis erteilt bzw. den Demonstranten mitgeteilt wurde. Denn es könnte ja sein, dass sein Mandant das überhaupt nicht mitbekommen hat. Polizist O. hat im Zeugenstand erneut berichtet, dass beim Einsatz an der Stadthalle kein Megafon benutzt wurde, und es an vorderster Front von den Beamten verbal und für die Demonstranten weiter hinten optisch kommuniziert wurde. Hierzu hielten die Polizisten ihre Schlagstöcke deutlich sichtbar weit nach oben. Als das nicht wirkte, hob einer der Polizisten seine große Druckflasche mit Pfefferspray, etwa in der Größe eines Feuerlöschers, als Vorwarnung in die Höhe. Richterin Kienle betont in ihrer Urteilsbegründung, für den Tatbestand des Landfriedensbruchs reicht es aus, dabei gewesen zu sein und verurteilt deshalb Leander S. Das Strafmaß beträgt 130 Tagessätze zu je 50 Euro. Zudem muss S. die Verfahrenskosten tragen. Gegen das Urteil kann er innerhalb einer Woche Einspruch erheben. Dann geht das Verfahren an die nächst höhere Instanz.
Die angesetzten anderthalb Stunden für den Prozess um Leander S. sind sportlich, ruckzuck vorbei und vielleicht doch etwa zu knapp bemessen. S. und sein Verteidiger Prötzel haben förmlich die Türklinke noch in der Hand, kommt bereits der Angeklagte für die nächste Verhandlung in den Gerichtssaal. Fast wie bei einem Staffellauf.

Andreas H., ebenfalls Landwirt und mit wettergegerbtem Gesicht, erscheint ohne Rechtsbeistand. Er verteidigt und spricht für sich selber. Das macht ihn sympathisch und authentisch. Auch er hat einen Strafbefehl erhalten und dagegen Einspruch eingelegt. Zu seiner Verteidigung gibt an, er kenne sich in Biberach nicht aus und wollte am besagten Aschermittwoch 2024 zur genehmigten Demonstration und Kundgebung auf den Gigelberg, auf welcher auch Cem Özdemir sprach. Allerdings sei er dann unwissentlich in die nicht genehmigte Demonstration und gewalttätige Blockade bei der Stadthalle gelandet.

Das nimmt Richterin Kienle ihm nicht ab und erklärt, spätestens als es zu Ausschreitungen kam, unter anderem wurden Bengalische Feuer gezündet, hätte ihm klar sein müssen, dass diese Demo nicht mehr legal sein kann, und er sich hätte entfernen müssen. Der angeklagte Andreas H. erzählt von seiner schwierigen und angespannten finanziellen Situation als Biobauer und er, der doch wie von den Grünen gefordert als Landwirt alles richtig mache, sei deshalb wütend auf den grünen Bundesumweltminister gewesen. Diesen Unmut wollte er auf der Demo kund tun. Und er sei durchaus demonstrationserfahren. So sei er bereits auf den vorangehenden Bauerndemos in Berlin und in Stuttgart gewesen. Vor Ort in Biberach habe er zwischen Polizei und Demonstranten vermittelt und versucht andere Demonstranten zu mäßigen. Das könnte anhand den vorgeführten Polizeivideos durchaus als bestätigt gelten. Andreas H. plädiert deshalb für sich auf eine Einstellung des Verfahrens. Er sei als Wiedergutmachung durchaus bereit einen Geldbetrag an eine Soziale Einrichtung zu zahlen. Richterin Kienle hört emphatisch den Ausführungen von Andreas H. zu und zieht sich dann vor der Urteilsverkündigung zurück.
Dann kommt sie wieder und verkündet ihr Urteil: Eine Einstellung des Verfahrens ist nicht möglich. Andreas H. war vor Ort bei den Gewalttaten, trotz erteiltem Platzverweis durch die Polizei. Und somit an den Ausschreitungen indirekt beteiligt. Eine Verurteilung wegen Landfriedensbruchs wie bei den bisherigen Prozessen sei deshalb notwendig. Aber, durchaus bemerkenswert, Richterin Kienle folgt nicht der Strafforderung von Staatsanwältin Straub.

Diese hat eine Strafe nicht geringer als der erlassene Strafbefehl in Höhe von 60 Tagessätzen zu je 40 Euro gefordert. Kienle bleibt in ihrem Urteil mit einer Strafe von 40 Tagessätzen zu je 40 Euro deutlich darunter und quittiert damit die Offenheit des Angeklagten.
Heute (24.7.) finden zwei weitere Gerichtsverhandlungen zu den Ausschreitungen 2024 statt, gegen Peter E. 13:30 Uhr und Kevin S. um 15 Uhr.