Gelegentlich vergisst man es und manche leute verschwinden einfach dann doch aus dem Bewusstsein, nach ihrem Tod. – Bis es durch Begegnungen mit anderen dazu kommt, dass man erinnert.
Klaus-Dieter Diedrich war zu Lebzeiten und solange er in Biberach weilte ein Stück Stadtkultur. Der „Filmvorführer“ mit langen schwarzen Haaren, oft im schwarzen Mantel und außerdem Science Fiction Autor gehörte zur heimlichen intellektuellen Elite in der Stadt. Ein sehr guter Freund von Klaus Leupolz, politisch eher (heute würde man sagen „Links versifft“) dem CDU Konservativen abgeneigt. Diedrich war in BIberach hängengeblieben, auch weil er wohl Schulden bei Adrian Kutter dem Kinobesitzer abgelten musste. Gleichzeitig hatte Diedrich eine starke Liebe zum Film. haderte aber sehr mit dem kleinstädtischen Muff. 1995 drehte er zusammen mit Valérie Lasserre den Film „Lost in Illusions“ für das Projekt „Biberach Filme einer Stadt“. Der Spielfilm über den Buchautor „Lost“ ist praktisch ein Biopic über sein eigenes Leben. Edeltraud Garlin spielt im Film Diedrichs Mutter und im 1995 gerade renovierten Museum wurde (auf der Baustelle und mit Genehmigung der Stadt) dort wo heute Sonderausstellungen stattfinden der Nebenraum des Straußen nachgebaut. Ralph Heidenreich spielte in der Szene mit anderen die „APO-Gründung“ nach. Der Strauß – beliebter Kneipentreffpunkt der linken Szene – war einige Jahre vorher abgebrannt und als Drehort nicht mehr verfügbar.

K.D. Diedrich hatte als Co-Autor Martin Heilig (Künstler, leider inzwischen auch verstorben) für den Film gewonnen und inszenierte mit ihm am Biberacher Esel eine Gedenkszene für den Film in Erinnerung an den Tumult um den Besuch von Kanzler Kiesinger zum Ende der Sechziger Jahre. Nach der Fertigstellung des Filmes distanzierte sich Martin Heilig vom Film, Regie und Schnitt und die Machart des Filmes waren dem Künstler zu kommerziell. K.D. Diedrich und Valerie Lasserre waren damit aber recht erfolgreich, neben der Premiere im Biberacher Kino 1996, wurde „Lost in Illusions“ auf dem Verdener Filmfest als bester Debutfilm 1997 ausgezeichnet. Auch Adrian Kutter, Gründer der Biberacher Filmfestspiele, fand durchaus lobende Worte. Eine wahrliche Berufung empfand Diedrich im Bereich Literatur, schrieb unter anderem einen Gedichtband und lehrte an der VHS. Schwierig gestaltete sich in der Kleinstadt aber die sexuelle Orientierung: Seine Homosexualität wurde zu jener Zeit nur bedingt akzeptiert und Diedrich plante schon länger einen Umzug nach Berlin, eine Art Neuanfang. 1999 war es dann soweit, Diedrich zog nach Berlin und verließ Biberach und seine Wohnung unweit des Biberacher Friedhofes auf dem Mittelberg und seine Katzen.
Während er eine Ausbildung als Mediendesigner und Webseitengestalter in Berlin begann, bröckelte nicht nur seine Gesundheit. Klaus Leupolz einer seiner besten Weggefährten erkrankte an einem Hirntumor. Er war eine Treppe unvermittelt heruntergestürzt, der Freund von K.D. wurde letztlich zum Pflegefall. Diedrich selbst erkrankte an Darmkrebs. Nach vielen Jahren des Biberacher Gefängnisses endlich in Berlin und frei, stand plötzlich der Tod vor der Tür. Diedrich wurde in ein Hospiz in Berlin verlegt und weigerte sich schlicht abzutreten, wie er Gaspard bei einem Treffen im Café Weichhardt erklärte. Nach einem Jahr im Hospiz hatte man ihn dann doch „nach Hause geschickt, um dort zu sterben“, erzählte K.D. im Café. Er wollte nochmal vor seinem Tod nach Biberach, es war das letzte Treffen mit Gaspard.
K.D. Diedrich schrieb eine Art Tagebuch und war Mitglied im literarischen Forum Oberschwaben. Der leider nie wirklich als Buch erschienene Text „Meine Biberacher Zeit“ ist dennoch veröffentlicht worden und auch heute, auch dank des damaligen Kulturamtes, weiterhin verfügbar: Als Webseite. „Tag um Tag“ ist ausgesprochen interessant – weil es neben persönlichen Erlebnissen mit Biberacher Köpfen und Gegebenheiten auch einen Blick auf das Zeitgeschehen in der Stadt bietet. Ein lohnenswerter Leseausflug:
LINK zur Zeitreise mit K.D: Diedrich.
Ein Dank an Kai Gladow, der dieser Tage die Erinnerung weckte.
